Jewhen Swerstjuk

Swerstjuk, Jewhen Oleksandrowytsch (13. Dezember 1927, Siltse, Bezirk Horochiw, Gebiet Wolhynien – 1. Dezember 2014, Kyjiw)

Ein ukrainischer Sechziger, Literaturwissenschaftler, Publizist, führender Vertreter der Dissidentenbewegung.

Die Persönlichkeitsbildung von Jewhen Swerstjuk war von der Atmosphäre des "Tauwetters" beeinflusst. Der Dissidentenbewegung schloss er sich Ende 1950er Jahre an. Eine wichtige Zäsur bildete in seinem Leben die Eröffnung in Kyjiw 1960 des Klubs jungen Kreativen – eines inoffiziellen Zentrums des kulturellen Lebens der damaligen Ukrainischen SSR, wo sich Vertreter kreativer Intelektueller Kreise trafen. Der leitende wissenschaftliche Mitarbeiter des Ukrainischen Forschungsinstituts für Psychologie und dann Leiter der Prosa-Abteilung der Zeitschrift "Witschyzna" ("Вітчизна") befreundete sich dort mit berühmten Sechzigern – Wassyl Symonenko, Iwan Switlytschnyj, Iwan Dzjuba, Wassyl Stus, Alla Horska ect. – und beteiligte sich an der Samisdat-Bewegung.

Ende 1950er und in den 1960er Jahren (bis zu seiner Verhaftung 1972) protestierte Jewhen Swerstjuk mehrmals gegen die Diskriminierung der ukrainischen Kultur in der UdSSR, was unerwünschte Folgen für die Karriere des jungen Wissenschaftlers brachte. Vier Mal war er gezwungen, den Arbeitsplatz wegen politischer Verfolgungen zu wechseln. 1965 wurde seine Doktorarbeit in Pädagogik zur Dissertationsverteidigung nicht zugelassen. Nichtdestotrotz schrieb Jewhen Swerstjuk in den 1960er Jahren eine Reihe von bedeutenden Werken, unter anderem das Pamphlet "Aus Anlass des Pohruschalskyj-Prozesses" ("З приводу процесу над Погружальським", 1964), das Buch "Kathedrale im Gerüst" ("Собор у риштованні", 1970), hielt öffentliche Vorträge bei verschiedenen Veranstaltungen – besonders wichtig waren seine Reden bei der Gedenkveranstaltung für Wassyl Symonenko (1964), bei den Beerdigungen von Alla Horska (1970) und dem Akademiemitglied Dmytro Zerow (1971).

Sein Engagement zog die Aufmerksamkeit des KGB heran, und am 14. Januar 1972 wurde Jewhen Swerstjuk zusammen mit vielen anderen ukrainischen Sechzigern verhaftet. Die Vorerhebung in seinem Fall dauerte ein Jahr, obwohl der Tatvorwurf nur die Samisdat-Tätigkeit des Angeschuldigten betraf. Letztendlich wurde Swerstjuk im April 1973 "wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda" zu maximaler Haftstrafe – sieben Jahren Lager mit strengen Haftbedingungen und fünf Jahren Strafbann – verurteilt. Die Haftstrafe büßte er in den Lagern der Region Perm ab. In der Haft vertritt er seine aktive Position, beteiligte sich an Hungerstreiks und wurde mehrmals mit der Strafzelle bestraft. Nach dem Lager verbrachte er die Verbannung in Bogdarin, Burjatische ASSR, und arbeitete als Tischler. Denselben Beruf übte er auch nach seiner Rückkehr 1983 nach Kyjiw aus. 

1987 schloss Jewhen Swerstjuk sich dem gesellschaftlich-politischen Leben an, wurde zu einem der Gründer des Ukrainischen kulturologischen Klubs. Ab 1989 war er Redakteur der Zeitung "Nascha wira" ("Наша віра"), beteiligte sich aktiv an der Wiedergeburt der Ukrainischen Selbstständigen Orthodoxen Kirche. Im selben Jahr wurde er Vorsitzender des Ukrainischen unabhängigen Verbandes kreativer Intelektuellen. Von 1993 bis 2010 war Swerstjuk Präsident des Ukrainischen PEN-Klubs. 2011 trat er der Initiativgruppe "Erster Dezember" bei und 2014 war einer der Verfasser des Nationalen Freiheitsaktes.

Jewhen Swerstjuk ist Autor von zahlreichen verschiedenen Aspekten ukrainischer Kultur und Geschichte gewidmeten Artikeln und Büchern. Für das Buch "Verlorene Söhne der Ukraine" ("Блудні сини України") wurde er 1995 mit dem Nationalen Taras-Schwtschenko-Preis ausgezeichnet. Darüber hinaus wurde er mit dem UNESCO-Preis "Für zwischenethnische und zwischenkonfessionelle Toleranz Corneliu Coposu" (2000) und einigen ukrainischen Staatsorden geehrt.

Jewhen Swekstjuk lebte und arbeitete in Kyjiw. Er starb am 1. Dezember 2014 und wurde auf dem Baikowe-Friedhof bestattet.

 
Jewhen Swerstjuk

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Vorwort des Redaktors der Historische Wahrheit, Vakhtang Kipiani